Nicht jede Landschaft beherbergt einen so lauteren Mittler zwischen literarischer Sprache und scheinbar abgelegener historischer und gegenwärtiger Lebenswelten wie der märkische Landstrich.
Und trotzdem: Nur wenige Menschen kennen jene Ort- und Landschaften oder würden sie je kennenlernen, wenn nicht in ihnen der Schriftsteller Günter de Bruyn in seinem Buch „Abseits. Liebeserklärung an eine Landschaft", erschienen 2006, seine besonderen Geschichten gefunden und erzählt hätte.
Dabei ist auch seine eigene Bekanntschaft mit der märkischen Gegend eine durchaus bemerkenswert erzählte. In seiner vielbeachteten Autobiografie „Vierzig Jahre. Ein Lebensbericht" (1996) berichtet er von eben jener „Expedition" in die Einöde im Juni 1967, die ihm später zur Heimat werden sollte.
Der 1926 geborene Autor, der seine Kinder- und Schulzeit in Berlin-Britz verbracht hatte, war 1943-45 Luftwaffenhelfer und Soldat im Zweiten Weltkrieg. Nach Kriegsgefangenschaft und Lazarett arbeitete er als Landarbeiter, kam 1946 nach Berlin zurück. Als Neulehrer ausgebildet, arbeitete er bis 1949 als Lehrer in Garlitz (im Havelland). Nach seiner Ausbildung zum Bibliothekar 1949 bis 1953 arbeitete er bis 1961 auch in diesem Beruf und genoss wohl mehr den Zugang zu Büchern als deren Ausleihe.
Er ist Herausgeber einer Reihe von Autoren des 18. und 19. Jahrhunderts mit Bezug zu Berlin und zur Mark Brandenburg. Die Hinwendung zu literaturwissenschaftlichen und historischen Themen, insbesondere zur Geschichte Preußens war jedoch ursächlich nicht rein schriftstellerisch begründet. Als einer der Unterzeichner des Briefes gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann 1976 erwuchs bedingtermaßen dann neben der schriftstellerischen seine umfangreiche Herausgeber- und Essaytätigkeit. Über die Entstehung der Idee zum genannten literarturhistorischen Projekt, mit dem vergessene Autoren und von märkischen Sand verwehte Literatur wiederentdeckt wurden, berichtet er in „Vierzig Jahre. Ein Lebensbericht":
"In jener Nacht [...] war beim Abschied von Christa und Gerhard Wolf galgenhumorig davon die Rede, daß unsere Romane mit Gegenwartsstoffen künftig bei der Zensur keine Chancen mehr haben würden, und ich äußerte leichtfertig: Das macht mir wenig aus. Um diese Eiszeit erleben zu können, würde ich mich ins Märkische und Historische begeben, zu mißachteten oder vergessenen Dichtern, wie Schmidt von Werneuchen zum Beispiel oder Fouqué. Da Gerhard Wolf mir darauf sofort mit dem Hofpoeten Friedrichs I. und mit der Karschin antworten konnte, wurde beim Anziehen der Mäntel lachend erwogen, Christa weiterhin ihre anstoßerregende Kunst machen lassen, während wir mit der Neuherausgabe berlinisch-brandenburgischer Dichter das lebensnotwendige Kleingeld besorgen würden, mit einem Standbein sozusagen im märkischen Sand. Das war die erste Erwähnung der Reihe, die uns zehn Jahre etwa beschäftigen sollte und zu der Gerhard Wolf [...] wenig später den Reihentitel 'Märkischer Dichtergarten' erfand.", (S. 214). Die Reihe erschien unter dem Titel „Märkischer Dichtergarten" ab 1980 (herausgegeben zusammen mit Gerhard Wolf).
Wie verwachsen der Autor mittlerweile mit dem Märkischen ist, zeigt auch eines seiner jüngsten Werke „Kossenblatt. Das vergessene Königsschloss", das 2014 erschien. Eine Landschaft hat ihren Dichter gefunden.
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Quellenangabe:
Günter de Bruyn. Vierzig Jahre. Ein Lebensbericht., Fischer Taschenbuch Verlag, 1996, 8. Auflage 2003
Bildquellen:
Vorschaubild, Günter de Bruyn (1981), a German writer Bundesarchiv, Bild 183-Z1229-317 / Senft, Gabriele / CC-BY-SA
ADN-ZB-Senft-29.12.81-schl-Berlin : An der Berliner Begegnung zur Friedensförderung von Schriftstellern, Künstlern und Wissenschaftlern aus europäischen Ländern vom 13. bis 14. Dezember 1981 nahmen Günter de Bruyn, Prof. Dr. Axel Azzola und Wolfgang Kohlhaase (v.l.n.r.) teil. Depicted people Kohlhaase, Wolfgang: Regisseur, Drehbuchautor, Nationalpreis 1954, DDR, Bundesarchiv, Bild 183-Z1229-308 / Senft, Gabriele / CC-BY-SA
Buckowsee (Märkische Schweiz), Dellex, Wikipedia, CC BY-SA 3.0
Zentralbild Demme 25.1.1967 - "Rahnsdorfer Gespräch" im Klub der Kulturschaffenden Berlin
Karl Neumann, Christa Wolf und Günter de Bruyn (v.l.n.r.), nahmen am 24.1.1967 an dem "Rahnsdorfer Gespräch" im Klub der Kulturschaffenden Berlin teil. Wirtschaftsfunktionäre und Autoren des Deutschen Schriftstellerverbandes, diskutierten an diesem Abend über die Fernsehspiele "Hannes Trostberg" (von Bernhard Seeger), "Meine besten Freunde" (von Benito Wogatzki) und das Schauspiel "Katzengold" (von Horst Salomon). Bundesarchiv, Bild 183-F0125-0009-001 / Demme, Dieter / CC-BY-SA