Eine Wüste in Deutschland? Gibt es nicht, werden jetzt viele denken. Aber es gibt sie doch: in Brandenburg. Natürlich keine Wüste im herkömmlichen Sinne wie die Sahara in Afrika oder die Atacama, die sich entlang der Pazifikküste im Süden Amerikas erstreckt. Aber ein wüstenähnliches Ödland mit viel Sonne, wenig Schatten, sandigem und sehr nährstoffarmem Boden und geringem Bewuchs mit Flechten und Gräsern. Genau damit hat sich die Lieberoser Heide in der Niederlausitz nach der deutschen Wiedervereinigung auch über die Grenzen Brandenburgs hinweg einen Namen gemacht.
Ehemaliger Truppenübungsplatz mitten in der Niederlausitz
Als „größte zusammenhängende vegetationsarme Fläche in Deutschland“ wird die auf dem Weg von Berlin nach Cottbus gelegene Lieberoser Heide offiziell vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) bezeichnet. Hier wächst fast gar nichts, nur Flechten, Gräser und sehr vereinzelt mal eine Krüppelkiefer.
Und selbst das grenzt schon an ein natürliches Wunder. Denn bis 1990, als das Heidegebiet ausschließlich als Truppenübungsplatz der ehemaligen „Roten Armee“ genutzt wurde, gab es hier nur eins: Sand. Auf rund 25 000 Hektar Heidefläche nur Sand, soweit das Auge blicken kann.
Auch heute noch sind an einigen Stellen noch bewuchsfreie Sandhügel zu sehen, die den Eindruck von Sanddünen einer Wüste hinterlassen. Ursache für den kargen Bewuchs war wohl neben der militärischen Nutzung nach dem Zweiten Weltkrieg ein großer Flächenbrand um 1942, der jegliche Pflanze und deren Wurzelwerk vernichtet haben soll.
Auch nach dem Abzug der sowjetischen Truppen im Jahr 1992 blieb das gesamte Gelände aufgrund der hier vermuteten Belastung des Bodens mit Minen und anderer Munition für den freien öffentlichen Besucherverkehr gesperrt. Ein Niemandsland sozusagen, in dem sich langsam wieder Leben entwickelt. Bis hier wieder Wälder stehen, werden hunderte von Jahren vergehen, so die Einschätzung der Experten vom BfN.
Wildnisgebiet mit NaturschutzWildnisgebiet mit Naturschutz
Der größte Teil des Areals der Lieberoser Heide steht unter der Verwaltung der „Stiftung Naturlandschaften Brandenburgs“, die gleichzeitig auch Eigentümer dieser Heideflächen ist. Sie widmet sich insbesondere dem Schutz ehemaliger Militärtruppenübungsplätze und der dort meist über Jahrzehnte hinweg entstandenen einzigartigen Naturlandschaften ohne Eingriffe oder Regulierung durch Menschen.
Die „Hüter der Wildnisgebiete Brandenburgs“, wie sich die Stiftung auch selbst bezeichnet, bieten geführte Touren durch die Lieberoser Heide an, auf denen sie an einigen wenigen, ausgewählten Besucherpunkten die einzigartige Landschaft näherbringen will. Auf einem extra angelegten, etwa acht Kilometer langen Wildnispfad können sich die geführten Besucher das Heidegebiet erschließen. Die Anfragen nach Führungen und Touren durch die Heide sind sehr vielfältig, ist diese Location z. B. als Kulisse für Filme, Musikvideos oder Shootings doch außerordentlich beliebt.
Neue Heimat für seltene Pflanzen und Tierarten
In der Lieberoser Heide haben sich im Laufe der Jahre Pflanzen- und Tierarten angesiedelt, die auch unter extremen klimatischen Bedingungen lebensfähig sind und die die hier vorkommenden Bodenverhältnisse nahezu lieben. Dazu gehören z. B. Insekten wie die nachtaktive Ameisenjungfer, die sonst eher im südlichen Mitteleuropa oder Asien beheimatet ist, oder die Blauflügelige Ödlandschrecke, eine Heuschreckenart, die extrem trockene und vegetationsarme Landschaften bevorzugt.
Aber auch Vogelarten wie der Brachpieper, der vor allem im Nordwesten Afrika, dem Mittelmeerraum bis hin zu den Wüstengebieten der inneren Mongolei zu finden ist, und verschiedenen Spinnerarten sind inzwischen in der Lieberoser Heide zu beobachten. In den Randgebieten der Heide werden immer öfter Wölfe gesichtet.
Interessantes Untersuchungsgebiet für biologische Forschung
Um die Aktivitäten von Flechten, Gräsern und anderen in der Lieberoser Heide vorkommenden Pflanzen und den dafür erforderlichen Kohlenstoffeintrag im Heideboden zu untersuchen, haben Biologen der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg ab Spätsommer bzw. Herbst 2017 ein Versuchsareal eingerichtet.
Nach dem Großbrand vom 2017, von dem 250 Hektar der Heidefläche betroffen waren, wollen die Forscher jetzt anhand von Bodenproben, die im Labor der Universität eingehend untersucht werden, herausfinden, wie viel Kohlenstoff erforderlich ist, damit sich eine biologische Bodenkruste als Basis für das Ansiedeln von Pflanzenarten bildet.
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Bildquellen:
Vorschaubild, Sandweg in der Lieberoser Heide in Brandenburg, Deutschland. This is a picture of the protected area listed at WDPA under the ID318731 By J.-H. Janßen - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=32...
Herbststimmung in der Lieberoser Heide in Brandenburg, Deutschland. By J.-H. Janßen - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17...
Durch eine Vor-Ort-Sprengung militärischer Munitionsreste des vormaligen sowjetischen (russischen) Truppenübungsplatzes Lieberose im Sandboden der Lieberoser Heideentstandener Krater. Aufgenommen unweit von Lieberose, Landkreis Dahme-Spreewald, Brandenburg, Deutschland. (Hinweis: Das Foto entstand während einer fachlich geleiteten Führung.) By J.-H. Janßen - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=20...
Sandweg in der Lieberoser Heide auf dem Gebiet der Gemeinde Schwielochsee, Landkreis Dahme-Spreewald, Brandenburg, Deutschland. This is a picture of the protected area listed at WDPA under the ID318731 By J.-H. Janßen - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=32...