Wer den Ortsnamen Eberswalde hört, denkt oft zuerst an die leckere Eberswalder Wurst oder an das Schiffshebewerk in Niederfinow, etwa 15 Kilometer östlich von Eberswalde. Doch die brandenburgische Kreisstadt im Barnimer Land hat weit mehr zu bieten. Die direkt im Eberswalder Urstromtal gelegene ehemalige Industriestadt erfreut sich heute nicht nur wegen ihrer wald- und wasserreichen Umgebung, sondern auch wegen ihrer interessanten Geschichte und ihrer beeindruckenden Zeugnisse der Industriekultur immer wachsender Beliebtheit.
Nur etwa 60 Kilometer und ca. 35 Minuten Fahrzeit vom Zentrum der deutschen Hauptstadt Berlin entfernt, ist Eberwalde heute zum attraktiven Lebensmittelpunkt im erweiterten Speckgürtel der Metropole geworden. Heute leben knapp 42 000 Menschen in Eberswalde.
Wie Eberswalde zu seinem Namen kam
Obwohl laut Überlieferungen schon im Jahr 1254 gegründet, wurde Eberswalde unter dem Namen „Eversvolde“ erstmals im Jahr 1276 in einer Urkunde des brandenburgischen Markgrafen Albrecht III. (um 1250–1300) nachweislich erwähnt. Der Stadtname geht auf die in der waldreichen Gegend lebenden Wildscheine zurück. Das männliche Wildschwein, der Eber (Ever = Eber), ziert auch das Stadtwappen von Eberswalde.
Mit dem Finowkanal entwickelte sich die Stadt
Die Entwicklung der Stadt Eberwalde ist sehr stark mit der Entwicklung von Industrie, Handel und Gewerbe sowie der Errichtung der künstlichen Wasserverbindung zwischen Oder und Havel, dem Finowkanal, verbunden. Der Finowkanal ist die älteste, heute noch in Betrieb befindliche künstliche Wasserstraße Deutschlands.
Der Bau des Finowkanals wurde 1603 vom brandenburgischen Kurfürsten Joachim Friedrich (1546–1608) initiiert und begann 1605. Durch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges und aus finanziellen Gründen konnte der Kanal aber nicht vollendet werden und geriet in Vergessenheit. Über hundert Jahre später nahm sich Friedrich II. (1712–1786) des Vorhabens an und verfügte 1743 den Weiterbau der künstlichen Wasserstraße, die drei Jahre später fertiggestellt wurde.
Mit Einweihung des Finowkanals entwickelte sich die Stadt Eberswalde rasant. Handwerker, insbesondere aus Sachsen und Thüringen, siedelten sich an. Erst mit Muskelkraft oder durch Pferde, später durch Dampf angetriebene Schiffe nutzen die schnelle Wasserverbindung zwischen Oder und Havel bis zur Inbetriebnahme des neuen Oder-Havel-Kanals 1914. In Eberswalde selbst entstand ein Wasser- und Schifffahrtsamt. Die ursprünglich in Berlin ansässige Forstakademie zog nach Eberswalde um und bekräftigte damit den Ruf der Stadt als Wald- und Erholungsstandort.
Die Industrialisierung erreichte auch Eberswalde
Mitte des 19 Jahrhunderts entstand in Eberswalde eine Vielzahl von Fabriken, so. z. B. Eisenwerk, Kupferhütte oder Messing- und Walzwerk. Auch der Kranbau hat hier eine lange Tradition, die mit dem Montage-Eber-Kran, einem überdimensional großer Montagekran im Familiengarten, heute noch sichtbar ist.
Die zunehmende Industrialisierung zog die Anbindung der Stadt an die Eisenbahnlinien nach Berlin (1842), Stettin (1843), Bad Freienwalde und Frankfurt/Oder (1866) sowie Templin (1898) nach sich. Eberswalde entwickelte sich damit zu einem bedeutenden Verkehrsknoten mit einer Reparaturwerkstatt für Eisenbahnen, die später zum Reichsbahnausbesserungswerk umgewandelt wurde.
Luftkurort mit Badeanstalt inmitten von Wald
Eberswalde wird von etwa 1 500 Hektar Waldfläche umgeben. Bereits im 19. Jahrhundert erwarb die Stadt Eberswalde daher den Ruf eines Luftkurorts. Zahlreiche Versuche, eisenhaltige Quellen für den Kur- und Badebetrieb touristisch zu vermarkten, schlugen fehl. Geblieben sind die Badeanstalt, die gute Luft und der Familiengarten.
Im Rahmen der Landesgartenschau von 2002 angelegt, zählt der Familiengarten heute zu den beliebtesten Ausflugszielen. Der am südlichen Ufer des Finowkanals angelegte, sehr weitläufige Park ist sehr vielseitig gestaltet worden. Hier gibt es mehrere unterschiedlich gestaltete Gärten, einen Feenwald, mit Tretbooten erkundbare, unterirdisch verlaufende Kanäle, eine Märchenwald- und eine Abenteuerlandschaft sowie eine Aussichtsplattform auf dem Montage-Eber-Kran, die einen guten Überblick über das gesamte Gelände verspricht.
Eberswalder Köstlichkeiten
Verschiedene kulinarische Köstlichkeiten haben ihren Ursprung im brandenburgischen Eberswalde. Dazu zählt u. a. der Spritzkuchen, der 1832 vom Konditor Gustav Louis Zietemann (1807–1880) kreiert wurde. Der aus Berlin stammende Zietemann hatte 1832 als reisender Geselle die Erlaubnis erhalten, sich in Eberswalde niederzulassen. In seiner Konditorei am Markt fand er heraus, das Gebäck aus Brandteig besser gelingt, nicht zusammenfällt und sehr locker bleibt, wenn man es vor dem Backen erst auf Papier spritzt und anschließend in heißem Fett und nicht im Ofen ausbäckt. Das war die Geburtsstunde des Spritzkuchens.
Die neue Köstlichkeit wurde in Eberswalde schnell zum Renner. Durch den Verkauf seines Gebäcks auf dem Eberswalder Bahnhof wurde der Spritzkuchen auch in Berlin, Stettin oder Frankfurt/Oder bekannt und verbreitete sich damit weit über die Stadtgrenzen von Eberswalde. In Zeiten der Inflation zu Beginn der 1920er-Jahre fand sich der Spritzkuchen sogar auf den Scheinen des Notgeldes wieder.
Die weit über die Region bekannte Eberswalder Wurst wird heute gar nicht mehr in Eberswalde, sondern in Britz knapp 10 Kilometer nordöstlich der Kreisstadt hergestellt. In den 1980er-Jahren gehörte die Eberswalder Wurstfabrik zu den größten europäischen Wurstproduzenten. Besonders die „Eberswalder Würstchen“, eine besondere Bockwurstart, sind in den ostdeutschen Bundesländern und Berlin sehr beliebt und heute die offizielle Stadionwurst des 1. FC Union Berlin.
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Bildquellen:
Vorschaubild: Luftaufnahme von Eberswalde, 2004, Urheber: Marcela via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.
Das älteste bekannte Bild der Stadt Eberswalde, um 1625 (nach Merian), Urheber: Caspar Merian via Wikimedia Commons Gemeinfrei.
Walzwerk bei Eberswalde, Blick vom Stichkanal, den spaeteren Sinterauslaeufen, auf das Altwerk, um 1830, Urheber, Carl Blechen via Wikimedia Commons Gemeinfrei.
Montageeber 2016 mit Aufstieg zur Aussichtsplattform, 2015, Urheber: Ralf Roletschek via Wikimedia Commons GFDL 1.2.
Statue „Eberswalder Spritzkuchenjunge“ von Eckhard Herrmann zum Gedenken an Gustav Zietemann, Urheber: Berlin09 via Wikimedia Commons Copyrighted free use.