Wer in den Nordwesten von Brandenburg reist, kommt an einem Besuch der alten Hansestadt Kyritz kaum vorbei. Viel bekannter als die Zugehörigkeit im mittelalterlichen Städteverbund niederdeutscher Kaufleute ist aber der liebevolle Beiname der Stadt, „Kyritz an der Knatter“. Und das, obwohl Kyritz gar nicht an der Knatter, sondern am Flüsschen Jäglitz liegt, das die Prignitz durchfließt, bevor sie als Alte und Neue Jäglitz in Dosse bzw. Havel mündet.
Insbesondere seiner verkehrsgünstigen Lage am Kreuzungspunkt der alten Handelswege zwischen Berlin und Hamburg (heute B 5), von Kyritz nach Rostock (heute B 3) und in einem weitverzweigten Gewässernetz verdankte die Stadt im Mittelalter die Aufnahme in die Hanse und damit ihren wirtschaftlichen Aufschwung. Heute leben inKyritz knapp 10 000 Einwohnerinnen und Einwohner.
Auf historischen Wegen von Kyritz
Die erste urkundliche Erwähnung des ehemals slawisch bewohnten Gebietes um Kyritz stammt aus dem Jahr 948 unter dem Namen Chorizi. Fast 200 Jahre später, 1147, errichteten die Herren von Plotho, ein Adelsgeschlecht slawischer Abstammung, hier eine deutsche Burg zum Schutz vor Eroberungen. Im Umfeld der Burg entstand bald darauf eine kleine Siedlung, die Ursprünge der heutigen Stadt Kyritz, die erstmals 1232 schriftlich erwähnt wurde. Fünf Jahre später, 1237, verliehen die Gebrüder Johann und Gebhard von Plothe Kyritz das Stendaler Stadtrecht, später auch das Münzrecht sowie 1529 das Recht auf freie Schifffahrt.
Zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurde rund um die Stadt eine Mauer errichtet. Reste der Stadtmauer sind heute noch erhalten. In dem zwischen dem 14. und 15. Jahrhundert errichteten Franziskanerkloster verbrachte der bekannte Mönch, Theologe und Historiker Matthias Döring (um 1390–1469) seinen Lebensabend und verfasste in Kyritz zahlreiche seiner Werke, z. B. seine Stellungnahme zur Armutsfrage.
Kyritz wird Mitglied der Hanse
Kyritz wurde 1359 in den Bund der Hansestädte, der Hanse, aufgenommen und war damit berechtigt, den Beinamen Hansestadt zu tragen. Der Handel der Kyritzer Kaufleute reichte über die Jäglitz zur Elbe und dann bis in die Wirtschaftsregionen der Ostsee, Hamburgs sowie weiter westwärts nach Flandern.
Gehandelt wurde vorrangig mit Getreide, Tuchwaren, Holz, Wolle, Flachs und Hopfen. Die Kyritzer Kaufleute selbst kauften vor allem Fisch, Metalle, Gewürze und Weine. Zwischen Kyritz und der Hansestadt Lübeck ist sogar eine für das 14. Jahrhundert geltende Zollfreiheit belegt.
Nach vorliegenden schriftlichen Unterlagen enden die Aktivitäten Kyritz‘ als Hansestadt um 1417. Erst mit der Wiederbelebung der Hansetage der Neuzeit durch die Stadt Zwolle (Niederlande) im Jahr 1980 und der erstmaligen Teilnahme von Kyritz am 13. Hansetag 1993 in Münster lebt die alte Tradition der Hanse in Kyritz wieder auf. Auf Anregung der Stadtverwaltung soll der Zusatz „Hansestadt“ fortan wieder sichtbar auf den Ortseingangsschildern der Stadt Kyritz zu erkennen sein.
Kyritz und das Bier
Neben verschiedenen Handwerkern wie Tuchmachern, Bäckern oder Schuhmachern prägten vor allem die Bierbrauer das wirtschaftliche Leben der Stadt ab dem 16. Jahrhundert. Jeder Bürger von Kyritz, der wollte und konnte, durfte selbst Bier brauen. Und so gab es eine Vielzahl von verschiedenen Biersorten in der Stadt. Über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt wurde das Braunbier „Mord und Totschlag“, das in der damaligen Zeit zum Exportschlager in der Prignitzer Region wurde.
Kyritz als Garnisons- und Kreisstadt
Unter den Folgen des Dreißigjährigen Krieges hatte die Stadt durch Brände, Plünderungen, Einquartierungen und Durchmärschen schwer zu leiden. Neben der fast völligen Zerstörung der Gebäude der Stadt sank die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner ungefähr auf ein Drittel der ursprünglichen Zahl.
Unter Napoleon wurde Kyritz 1718 Garnisonsstadt, die ab 1801 von den Franzosen besetzt wurde. Ab 1817 wurde die Stadt als neue Kreisstadt Sitz des Landrates des neugebildeten Landkreises Ostprignitz. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde in Kyritz am 2.September 1945 das Konzept der Bodenreform von Wilhelm Pieck (1876–1960) verkündet. Durch die Zusammenlegungen der ehemaligen Landkreise Kyritz, Wittstock und Neuruppin zum neuen Landkreis Ostprignitz-Ruppin verlor Kyritz 1993 den Status Kreisstadt an Neuruppin.
Kyritz an der Knatter
Den liebevollen Ortsnamen Kyritz an der Knatter verdankt die Stadt einer Anekdote, die unter Reisenden verbreitet wurde. Danach kam einst ein Reisender auf dem Weg von Berlin nach Hamburg in die Stadt und wurde vom lauten Knattern und Rattern in der Stadt empfangen. Diese Geräusche stammten aber nicht, wie irrtümlich angenommen, von einem reißenden Fluss, der Knatter, sondern von den viele Mühlen in Kyritz. Der Mühlenfluss, die Jäglitz, wird auch heute oft nach fälschlicherweise als „die Knatter“ bezeichnet.
Inzwischen machen sich auch die Stadtbevölkerung diesen Beinamen zu Eigen. Neben dem Theater, die „Kyritzer Knattermimen“, gibt es heute auch einen als „Knatterperle“ benannten Sekt und mit dem „Knatterwasser“ auch einen Kräuterlikör, die in Kyritz hergestellt werden. Der Detektiv Nick Knatterton, Titelheld der gleichnamigen Comicserie, stammt allerdings nicht aus Kyritz.
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Vorschaubild: Marktplatz in Kyritz mit Friedenseiche. Die Stadt mit etwa 9500 Einwohnern liegt im Bundesland Brandenburg. Von W. Bulach - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=56...