Der „Brandenburger Zauberberg“
Beelitz-Heilstätten – vielen Autofahrern als Abfahrt der BAB A9 kurz vor dem Dreieck Potsdam bekannt. Doch hinter diesem Begriff verbirgt sich eine lange und mitunter schaurige Geschichte.
Schon der erste Anblick der verlassenen, mit Efeu überragten und größtenteils eingefallenen Gebäude der ehemaligen Lungenheilanstalt knapp 50 Kilometer südwestlich der Bundeshauptstadt Berlin wirkt gruselig. Aufgrund dieser mystischen und unheimlichen Ausstrahlung wurde das Gelände des heute größten Flächendenkmals Brandenburgs in den letzten Jahren vielfach als Filmkulisse genutzt.
Den Beinamen „Brandenburger Zauberberg“ erhielt die Heilstätte aufgrund der Nähe zur Handlung von Thomas Manns (1875–1955) Roman „Der Zauberberg“, in dem der Aufenthalt eines an Tuberkulose erkrankten Mannes in einer Schweizer Heilanstalt thematisiert wird.
Lungenheilanstalt für Frauen und Männer
Die Geschichte der Beelitzer Heilstätten begann im Frühjahr des Jahres 1902, als die Berliner Landesversicherungsanstalt auf dem Gelände eine Lungenheilanstalt eröffnete. Aufgrund der epidemieartigen Ausbreitung der Krankheit in Berlin und Umgebung war eine Behandlung der Erkrankten an der frischen Luft dringend notwendig. In vier Jahren Bauzeit entstanden auf dem Gelände am Rande Berlins zwei Sanatorien mit anfangs insgesamt 600 Betten, eins für Frauen im westlichen Teil und davon getrennt die Klinikgebäude für Männer.
Bis 1930 entstanden auf dem Gelände von Beelitz-Heilstätten etwa 60 Gebäude mit 1 200 Betten, die mit großen, hellen Räumen für mehrere Patientinnen oder Patienten ausschließlich für die Behandlung konzipiert waren. Auch für eine der Genesung förderliche Versorgung der Kranken war mit eigener Bäckerei und Fleischerei sowie angeschlossener Tierzucht bestens gesorgt. Neben Wäscherei, Küchengebäuden, Fuhrpark, Heizhaus und Werkstätten komplettierten Freizeitanlagen wie eine Kegelbahn, ein Biergarten sowie eine weiträumige Parkanlage um das Klinikgelände die Heilanstalt. Die früher vorhandene Kirche ist heute nicht mehr erhalten.
Lazarett während zweier Weltkriege
Schon während des Ersten Weltkrieges wurden die Gebäude der Lungenheilanstalt als Lazarett des Roten Kreuzes für verwundete Soldaten genutzt. Mehr als 17 500 Soldaten wurden hier bis zum Jahr 1919 gepflegt und versorgt, unter denen sich Ende 1916 auch der Gefreite Adolf Hitler befand.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das eingerichtete Lazarett um ein von Kriegsgefangenen errichtetes Barackenlazarett erweitert. Infolge der Kriegshandlungen wurden viele der Gebäude stark beschädigt oder ganz zerstört.
Militärhospital unter russischer Führung
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Gelände der Beelitzer Heilstätten von der Roten Armee übernommen, die hier das größte Militärhospital außerhalb des eigenen Landes einrichtete und das gesamte Areal zum militärischen Sperrgebiet erklärte. Damit blieben die Gebäude der Heilanstalt in ihrem Gesamtbestand erhalten und fielen weder Totalsanierungen noch Abrissmaßnahmen zum Opfer. Zwischen Dezember 1990 und März 1991 hielten sich Margot und Erich Honecker zur Behandlung im sowjetischen Militärhospital auf, ehe sie direkt nach Moskau ausreisten. Mit dem Abzug der Truppen der Roten Armee aus Deutschland endete 1994 auch die russische Ära in der Geschichte der Beelitzer Heilstätten.
Die Zeit nach der Wende
Danach gab es verschiedene Bemühungen und Versuche, das Klinikgelände zu erhalten und einer neuen Nutzung zuzuführen. Die meisten Bestrebungen scheiterten aber an den erforderlichen Investitionssummen. Trotzdem konnte die ehemalige Heilstätte für Männer inzwischen saniert und restauriert werden. Dieses Teil der Heilstätten wird heute als Rehaklinik genutzt.
Die ehemalige Frauenheilanstalt und alle weiteren Klinikgebäude stehen weiterhin leer. Sie verfallen zusehends und sind des Öfteren Vandalismusanschlägen ausgesetzt.
Denkmal mit Potenzial
Heute gibt es viele, die den Charme der Beelitzer Heilstätten, den Zauber einer nahezu verwunschenen Anlage mit einer über 100 Jahre alten Geschichte, schlossartigen Gebäuden, die architektonisch aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts stammen, und der wunderschönen und weitläufigen Parkanlage zu schätzen wissen.
Vom Treffpunkt Bahnhof Beelitz-Heilstätten aus können Besucher Teile der Anlage in extra angebotenen Führungen entdecken. Der größte Teil der Beelitzer Heilstätten befindet sich heute allerdings in Privatbesitz, zu dem der Zugang strengstens untersagt und unter Strafe gestellt ist.
Es gibt eine Reihe von Ideen, diese historische Kulturlandschaft auch touristisch zu nutzen. Eine der faszinierendsten Projekte ist der Heilstätten-Park mit dem Baumkronenpfad Beelitz-Heilstätten. Auf einer „Reise durch Baum und Zeit“ können sich Besucher und Gäste das Areal der ehemaligen Lungenheilstätte aus einer völlig neuen Perspektive erschließen und dabei interessante Eindrücke gewinnen.
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Fotos von Levinia Schwarz - dasfotolevel.de